hinreißen
GrammatikVerb · reißt hin, riss hin, hat hingerissen
Aussprache
Worttrennung hin-rei-ßen
Rechtschreibregel § 25 (E1)
Wortbildung
mit ›hinreißen‹ als Erstglied:
hinreißend
Hinweis
Statt
hinreißen
wird in der Schweiz und in Liechtenstein nach
§ 25 (E2)
üblicherweise
hinreissen
geschrieben.
Bedeutungsübersicht
eWDG
Bedeutungen
1.
2.
jmdn. begeistern, hell entzücken
Beispiele:
er riss mit seiner Rede alle Zuhörer hin
alle ließen sich von ihrem Gesang hinreißen
jmdn. zur Bewunderung hinreißen (= jmdm. Bewunderung abnötigen)
⟨hinreißend (= bezaubernd, bestechend)⟩
Grammatik: oft im Partizip I
Beispiele:
er ist ein hinreißender Redner, Tänzer
sie fand hinreißende Worte
er sprach mit hinreißendem Enthusiasmus
hinreißend singen
der Schauspieler war in dieser Rolle hinreißend
alle fanden sie hinreißend schön, liebenswürdig
umgangssprachlich, spöttischwas er geboten hat, war nicht gerade hinreißend!
⟨hingerissen (= begeistert, hell entzückt)⟩
Grammatik: oft im Partizip II
Beispiele:
von jmds. Spiel, Gesang ganz, völlig hingerissen sein
alle Zuhörer waren von seinen Worten hingerissen
hingerissen der Musik lauschen, ein Bild betrachten
das hingerissene Publikum applaudierte minutenlang
3.
⟨sich zu etw. hinreißen lassen (= von einem starken Gefühl überwältigt werden und etw. im Affekt äußern, tun)⟩
Beispiele:
ich habe mich vor Wut zu einer unüberlegten Äußerung hinreißen lassen
er ließ sich zu einer Drohung, Beleidigung hinreißen
wie konntest du dich hinreißen lassen und ihn ohrfeigen
sie hat sich von ihren Gefühlen hinreißen lassen
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
hin · hinnen · hingegen · hinweg · hinreißen · hinrichten · Hinrichtung · hinfällig · hinlänglich · Hinsicht · hinsichtlich
hin Adv. ‘von hier (nach dort)’, ursprünglich (im Gegensatz zu her, s. d.) den Standpunkt des Sprechenden als Ausgangspunkt einer zielgerichteten Handlung charakterisierend, daher bei Übertragung auf zeitliche Verhältnisse von der Gegenwart aus in die Zukunft oder in die Vergangenheit weisend (vgl. die zusammengesetzten Adverbien fernerhin, künftighin, späterhin, weiterhin bzw. letzthin, vorhin). Ahd. hina (8. Jh.), mhd. hin(e), asächs. hin- (in hinfard), mnd. hen, hēn(e), mnl. hēne, nl. heen, aengl. hin- (in Komposita) sind Bildungen mit n-Suffix zu dem auch in her, heuer, heute (s. d.) sowie in engl. he (s. er) vorliegenden Pronominalstamm germ. *hi-, der mit der unter hier (s. d.) dargestellten Bildung und außergerm. Formen wie dem ganz zu hin stimmenden air. cen ‘diesseits, ohne’, ferner air. cē ‘diesseitig’, lat. cis ‘diesseits’, lit. šìs, aslaw. sь, aruss. sь(sь) (neben sьjь, russ. älter sej, сей) ‘dieser’ auf ie. *k̑(e)i- ‘dieser, jener’ zurückgeht. Daneben stehen Formen wie lat. ce- (in cedo ‘gib her’, cēterus ‘der übrige, andere’), -ce (in ecce ‘siehe da’, verkürzt in hic ‘dieser’, illīc ‘dort’, nunc ‘jetzt’), die auf ie. *k̑e-, *k̑o- ‘dieser, jener’ weisen. Die Bedeutung ‘von hier’ lebt im Dt. vor allem in adverbiellen Zusammensetzungen weiter, die die Richtungsangabe präzisieren, vgl. hinab (mhd. hin abe, hin ab), hinauf (ahd. hina ūf, um 1000, mhd. hin ūf), hinaus (ahd. hina ūʒ, 9. Jh., mhd. hin ūʒ), hindurch (mhd. hin durch), hinein (ahd. hina in, um 1000, mhd. hin īn, hin in), hinzu (mhd. hin zuo) u. a. (wovon obd. und omd. Kürzungen wie nauf, naus, nein). Meist aber betont hin jetzt (bei Vernachlässigung des Sprecherstandpunkts) die Richtung auf ein in einer weiteren Ortsangabe genanntes Ziel zu (zum Meer, nach Süden hin, außerdem Zusammensetzungen wie dahin, dorthin, wohin, diese auch durch zwischengeschobene Satzglieder getrennt, vgl. wo willst du hin?); gelegentlich hebt es die Tatsache des Entfernens, Beseitigens hervor (synonym mit fort, weg, s. d., daher übertragene Verwendung wie ‘verloren, vernichtet, erschöpft, tot’) oder kennzeichnet den stetigen Fortgang einer Bewegung (über die Berge, am Flusse hin, hierzu wohl Adverbien wie gemeinhin, leichthin, schlechthin). Schon früh steht hin in enger Verbindung mit Zeitwörtern, namentlich Bewegungsverben; mit diesen wächst es im Nhd. zu trennbaren Verbalkomposita zusammen. Unter semantischem Einfluß bestimmter häufig hinzutretender Verben wie fallen, sinken, stürzen nimmt das Adverb auch den Sinn ‘auf den Boden zu, nieder’ an. – hinnen Adv. ‘von hier’, ahd. hin(n)ā̌n, hin(a)na (8. Jh.), mhd. hinne(n), hinnān, asächs. hinan(a), mnd. henne(n), hin(n)e(n), mnl. hēnen, nl. henen, aengl. heonon(e) (weitergebildet engl. hence). Das in den älteren dt. Sprachstufen auch temporal verwendete (‘von jetzt an’), auf Erweiterung der unter hin (s. oben) angeführten Formen beruhende Adverb (vergleichbar mit dannen, s. d.) tritt im Mhd. oft, im Nhd. regelmäßig in der verdeutlichenden präpositionalen Fügung von hinnen auf (mehrfach schon ahd. fona hinana, fona hinna, 8. Jh., fona hinan, 9. Jh., ‘fortan’); seit dem 19. Jh. schwindet es aus dem lebendigen Sprachgebrauch. hingegen Konj. ‘im Gegensatz dazu, dagegen’ (zuerst in der Verbindung da hingegen, Ende 16. Jh.), daneben im älteren Nhd. Adverb ‘daraufhin, als Antwort darauf’ (Mitte 16. Jh.) ist eine frühnhd. Bildung, der mhd. dar engegene, her engegene, als reine Ortsangabe auch hin engegene (s. entgegen) vorausgehen. hinweg Adv. ‘fort von hier, weg’, spätmhd. hinwec, nach dem Vorbild mit hin zusammengesetzter Adverbien (s. oben) umgeformt aus gleichbed. mhd. enwec (s. weg). hinreißen Vb. ‘in eine bestimmte Richtung fortreißen’, häufiger jedoch ‘begeistern, entzücken’, mhd. hin rīʒen ‘weg-, fortreißen’ (s. reißen). Die in der 1. Hälfte des 18. Jhs. sich ausbreitende metaphorische Verwendung wird besonders im adjektivischen und adverbiellen Gebrauch der Partizipien hingerissen ‘in höchstem Maße begeistert’ und hinreißend ‘bezaubernd, überwältigend’ deutlich (letzteres in neuerer Zeit oft nur eindringlich-verstärkende Übertreibung); vgl. ferner sich zu etw. hinreißen lassen ‘etw. im Affekt tun’ (19. Jh.). hinrichten Vb. ‘an jmdm. das Todesurteil vollstrecken’; im Frühnhd. zunächst ‘zugrunde richten, verderben, töten’ (15. Jh.), erklärbar aus der Verbindung von hin ‘nieder, zu Boden’ (s. oben) mit richten (s. d.) in derBedeutung ‘in eine bestimmte Richtung bringen’. Unter Einfluß der Rechtssprache, die frühnhd. richten (wie schon mhd. rihten) auch im Sinne von ‘das Todesurteil vollstrecken’ kennt, zeigt hinrichten vom frühen 16. Jh. an gelegentlich ebenfalls diese spezielle Verwendungsweise, die seit dem 19. Jh. ausschließlich gilt. Dazu Hinrichtung f. ‘Vollstreckung des Todesurteils’ (16. Jh.). hinfällig Adj. ‘altersschwach, gebrechlich, vergänglich’, mhd. hinvellec ‘umfallend, sterbend’, frühnhd. hinfellig auch ‘rückfällig’ und ‘vergänglich’ (15. Jh.), seit dem 17. Jh. daneben ‘gegenstandslos, haltlos’; Ableitung von mhd. hin vallen, frühnhd. hinfallen ‘zu Boden fallen’, im 16. Jh. auch ‘vergehen, verschwinden’ (wozu Anfang 17. Jh. hinfallen lassen ‘fallen lassen, gegenstandslos machen’). hinlänglich Adj. ‘ausreichend, genügend’, vorwiegend in adverbieller Funktion (17. Jh.), zum Verb hinlangen ‘sich bis zu einer bestimmten Stelle erstrecken’ (16. Jh.), ‘ausreichen’ (17. Jh., s. langen, gelangen). Hinsicht f. ‘das In-Betracht-Ziehen, Beziehung’, in der 2. Hälfte des 18. Jhs. aufkommende, besonders der Amts- und Gelehrtensprache angehörende Bildung (nach gleichbed. lat. respectus?, s. Respekt), nur üblich in formelhaften Wendungen wie in dieser, jeder, mancherlei Hinsicht und in Hinsicht auf etw. (vgl. älteres in Absicht, in Ansehung, in Betracht u. ä.); dazu hinsichtlich Präp. mit Genitiv, zunächst in der Konstruktion hinsichtlich auf etw. auch Adverb (um 1800).
Typische Verbindungen zu ›hinreißen‹ (berechnet)
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›hinreißen‹.
Applaus
Ausruf
Aussage
Begeisterungssturm
Beifall
Beifallssturm
Beifallsturm
Bemerkung
Dummheit
Eloge
Entgleisung
Foul
Gefühlsausbruch
Geste
Handgreiflichkeit
Jubelsturm
Kopfstoß
Lachsalve
Lachsturm
Lobeshymne
Ovation
Publikum
Revanchefoul
Schubser
Superlativ
Szenenapplaus
Tirade
Tätlichkeit
Verzweiflungstat
Äußerung
Verwendungsbeispiele für ›hinreißen‹
maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora
Ob er schweigt, ob er spricht, ob er poltert oder säuselt: ihm schauen alle »aufs Maul«, mißtrauisch oder hingerissen, kritisch oder ergriffen.
[Die Zeit, 07.07.1967, Nr. 27]
Wann waren Sie zuletzt hingerissen von einem Besuch im Kino?
[Die Zeit, 23.03.2009, Nr. 12]
Angesichts des arabischen Frühlings kann man sehr wohl enthusiastisch und zugleich beunruhigt sein, hingerissen und perplex.
[Die Zeit, 04.04.2011, Nr. 14]
Die Tiere, meinte ein hingerissener Seneca, kämen ausnahmslos »schon unterwiesen« zur Welt.
[Die Zeit, 27.09.2012, Nr. 39]
Jubelt bei sicherer Landung, seufzt hingerissen nach der gelungenen Todesspirale.
[Die Zeit, 25.02.2002, Nr. 08]
alphabetisch vorangehend | alphabetisch nachfolgend |
---|---|
hinreiben hinreichen hinreichend Hinreise hinreisen |
hinreißend hinreiten hinrichten Hinrichtung Hinrichtungsaufschub |
Weitere Informationen zum DWDS
|
Über das DWDS-Wörterbuch |
Das DWDS als mobile App | |
Der DWDS-Artikel des Tages |
Worthäufigkeit Was ist das?
Nicht genügend Daten in der DWDS-Textbasis vorhanden.
Geografische Verteilung Was ist das?
Bitte beachten Sie, dass diese Karten nicht redaktionell, sondern automatisch erstellt sind. Klicken Sie auf die Karte, um in der vergrößerten Ansicht mehr Details zu sehen.
Weitere Wörterbücher
- Deutsches Wörterbuch (¹DWB)
- Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (²DWB)
- Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)
- WAHRIG Deutsches Wörterbuch (WDW)
Belege in Korpora Was ist das?
Metakorpora
- Gegenwartskorpora mit freiem Zugang (~4344)
- Historische Korpora (~7258)
- DTA-Kern+Erweiterungen (1533)
- DTA-Gesamt+DWDS-Kernkorpus (1600–1999) (2183)
Referenzkorpora
- DWDS-Kernkorpus (1900–1999) (650)
- DWDS-Kernkorpus 21 (2000–2010) (67)
- DTA-Kernkorpus (1598–1913) (919)
Zeitungskorpora
Webkorpora
- Blogs (351)
Spezialkorpora
- DTA-Erweiterungen (1465–1969) (614)
- Archiv der Gegenwart (1931–2000) (62)
- Polytechnisches Journal (27)
- Filmuntertitel (318)
- Gesprochene Sprache (27)
- DDR (52)
- Politische Reden (1982–2020) (36)
- Bundestagskorpus (1949–2017) (369)
- Soldatenbriefe (1745–1872) (0)
- Korpus Patiententexte (1834–1957) (11)
- A. v. Humboldts Publizistik (dt., 1790–1859) (2)
- Nachrichten aus der Brüdergemeine (1819–1894) (251)
- Der Neue Pitaval (1842–1890) (79)
- Briefe von Jean Paul (1780–1825) (4)
- Deutsche Kunst und Dekoration (1897–1932) (31)
- Neuer Deutscher Novellenschatz (1884–1887) (16)
- stimm-los – Wiedergefundene Perlen der Literatur (5)
- Wikibooks-Korpus (5)
- Wikipedia-Korpus (858)
- Wikivoyage-Korpus (8)
- Gesetze und Verordnungen (1897–2024) (1)
- Börsenblatt für den deutschen Buchhandel (1834–1945) (422)
- Politischer Samisdat der DDR (1969–1990) (14)