hin Adv. ‘von hier (nach dort)’, ursprünglich (im Gegensatz zu
her, s. d.) den Standpunkt des Sprechenden als Ausgangspunkt einer zielgerichteten Handlung charakterisierend, daher bei Übertragung auf zeitliche Verhältnisse von der Gegenwart aus in die Zukunft oder in die Vergangenheit weisend (vgl. die zusammengesetzten Adverbien
fernerhin,
künftighin,
späterhin,
weiterhin bzw.
letzthin,
vorhin).
Ahd. hina (8. Jh.),
mhd. hin(e),
asächs. hin- (in
hinfard),
mnd. hen,
hēn(e),
mnl. hēne,
nl. heen,
aengl. hin- (in Komposita) sind Bildungen mit n-Suffix zu dem auch in
her,
heuer,
heute (s. d.) sowie in
engl. he (s.
er) vorliegenden Pronominalstamm
germ. *hi-, der mit der unter
hier (s. d.) dargestellten Bildung und
außergerm. Formen wie dem ganz zu
hin stimmenden
air. cen ‘diesseits, ohne’, ferner
air. cē ‘diesseitig’,
lat. cis ‘diesseits’,
lit. šìs,
aslaw. sь,
aruss. sь(sь) (neben
sьjь,
russ. älter
sej,
сей) ‘dieser’ auf
ie. *k̑(e)i- ‘dieser, jener’ zurückgeht. Daneben stehen Formen wie
lat. ce- (in
cedo ‘gib her’,
cēterus ‘der übrige, andere’),
-ce (in
ecce ‘siehe da’, verkürzt in
hic ‘dieser’,
illīc ‘dort’,
nunc ‘jetzt’), die auf
ie. *k̑e-,
*k̑o- ‘dieser, jener’ weisen. Die Bedeutung ‘von hier’ lebt im
Dt. vor allem in adverbiellen Zusammensetzungen weiter, die die Richtungsangabe präzisieren, vgl.
hinab (
mhd. hin abe,
hin ab),
hinauf (
ahd. hina ūf, um 1000,
mhd. hin ūf),
hinaus (
ahd. hina ūʒ, 9. Jh.,
mhd. hin ūʒ),
hindurch (
mhd. hin durch),
hinein (
ahd. hina in, um 1000,
mhd. hin īn,
hin in),
hinzu (
mhd. hin zuo) u. a. (wovon
obd. und
omd. Kürzungen wie
nauf,
naus,
nein). Meist aber betont
hin jetzt (bei Vernachlässigung des Sprecherstandpunkts) die Richtung auf ein in einer weiteren Ortsangabe genanntes Ziel zu (
zum Meer,
nach Süden hin, außerdem Zusammensetzungen wie
dahin,
dorthin,
wohin, diese auch durch zwischengeschobene Satzglieder getrennt, vgl.
wo willst du hin?); gelegentlich hebt es die Tatsache des Entfernens, Beseitigens hervor (synonym mit
fort,
weg, s. d., daher übertragene Verwendung wie ‘verloren, vernichtet, erschöpft, tot’) oder kennzeichnet den stetigen Fortgang einer Bewegung (
über die Berge,
am Flusse hin, hierzu wohl Adverbien wie
gemeinhin,
leichthin,
schlechthin). Schon früh steht
hin in enger Verbindung mit Zeitwörtern, namentlich Bewegungsverben; mit diesen wächst es im
Nhd. zu trennbaren Verbalkomposita zusammen. Unter semantischem Einfluß bestimmter häufig hinzutretender Verben wie
fallen,
sinken,
stürzen nimmt das Adverb auch den Sinn ‘auf den Boden zu, nieder’ an. –
hinnen Adv. ‘von hier’,
ahd. hin(n)ā̌n,
hin(a)na (8. Jh.),
mhd. hinne(n),
hinnān,
asächs. hinan(a),
mnd. henne(n),
hin(n)e(n),
mnl. hēnen,
nl. henen,
aengl. heonon(e) (weitergebildet
engl. hence). Das in den älteren
dt. Sprachstufen auch temporal verwendete (‘von jetzt an’), auf Erweiterung der unter
hin (s. oben) angeführten Formen beruhende Adverb (vergleichbar mit
dannen, s. d.) tritt im
Mhd. oft, im
Nhd. regelmäßig in der verdeutlichenden präpositionalen Fügung
von hinnen auf (mehrfach schon
ahd. fona hinana,
fona hinna, 8. Jh.,
fona hinan, 9. Jh., ‘fortan’); seit dem 19. Jh. schwindet es aus dem lebendigen Sprachgebrauch.
hingegen Konj. ‘im Gegensatz dazu, dagegen’ (zuerst in der Verbindung
da hingegen, Ende 16. Jh.), daneben im älteren
Nhd. Adverb ‘daraufhin, als Antwort darauf’ (Mitte 16. Jh.) ist eine
frühnhd. Bildung, der
mhd. dar engegene,
her engegene, als reine Ortsangabe auch
hin engegene (s.
entgegen) vorausgehen.
hinweg Adv. ‘fort von hier, weg’,
spätmhd. hinwec, nach dem Vorbild mit
hin zusammengesetzter Adverbien (s. oben) umgeformt aus gleichbed.
mhd. enwec (s.
weg).
hinreißen Vb. ‘in eine bestimmte Richtung fortreißen’, häufiger jedoch ‘begeistern, entzücken’,
mhd. hin rīʒen ‘weg-, fortreißen’ (s.
reißen). Die in der 1. Hälfte des 18. Jhs. sich ausbreitende metaphorische Verwendung wird besonders im adjektivischen und adverbiellen Gebrauch der Partizipien
hingerissen ‘in höchstem Maße begeistert’ und
hinreißend ‘bezaubernd, überwältigend’ deutlich (letzteres in neuerer Zeit oft nur eindringlich-verstärkende Übertreibung); vgl. ferner
sich zu etw. hinreißen lassen ‘etw. im Affekt tun’ (19. Jh.).
hinrichten Vb. ‘an jmdm. das Todesurteil vollstrecken’; im
Frühnhd. zunächst ‘zugrunde richten, verderben, töten’ (15. Jh.), erklärbar aus der Verbindung von
hin ‘nieder, zu Boden’ (s. oben) mit
richten (s. d.) in derBedeutung ‘in eine bestimmte Richtung bringen’. Unter Einfluß der Rechtssprache, die
frühnhd. richten (wie schon
mhd. rihten) auch im Sinne von ‘das Todesurteil vollstrecken’ kennt, zeigt
hinrichten vom frühen 16. Jh. an gelegentlich ebenfalls diese spezielle Verwendungsweise, die seit dem 19. Jh. ausschließlich gilt. Dazu
Hinrichtung f. ‘Vollstreckung des Todesurteils’ (16. Jh.).
hinfällig Adj. ‘altersschwach, gebrechlich, vergänglich’,
mhd. hinvellec ‘umfallend, sterbend’,
frühnhd. hinfellig auch ‘rückfällig’ und ‘vergänglich’ (15. Jh.), seit dem 17. Jh. daneben ‘gegenstandslos, haltlos’; Ableitung von
mhd. hin vallen,
frühnhd. hinfallen ‘zu Boden fallen’, im 16. Jh. auch ‘vergehen, verschwinden’ (wozu Anfang 17. Jh.
hinfallen lassen ‘fallen lassen, gegenstandslos machen’).
hinlänglich Adj. ‘ausreichend, genügend’, vorwiegend in adverbieller Funktion (17. Jh.), zum Verb
hinlangen ‘sich bis zu einer bestimmten Stelle erstrecken’ (16. Jh.), ‘ausreichen’ (17. Jh., s.
langen,
gelangen).
Hinsicht f. ‘das In-Betracht-Ziehen, Beziehung’, in der 2. Hälfte des 18. Jhs. aufkommende, besonders der Amts- und Gelehrtensprache angehörende Bildung (nach gleichbed.
lat. respectus?, s.
Respekt), nur üblich in formelhaften Wendungen wie
in dieser, jeder, mancherlei Hinsicht und
in Hinsicht auf etw. (vgl. älteres
in Absicht,
in Ansehung,
in Betracht u. ä.); dazu
hinsichtlich Präp. mit Genitiv, zunächst in der Konstruktion
hinsichtlich auf etw. auch Adverb (um 1800).