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stürzen

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GrammatikVerb · stürzt, stürzte, ist/hat gestürzt
Aussprache  [ˈʃtʏʁʦn̩]
Worttrennung stür-zen
eWDG

Bedeutungen

1.
jäh, schnell und mit Wucht
a)
aus der Höhe in die Tiefe fallen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘sein’
Beispiele:
das Flugzeug stürzte ins Meer, in die Tiefe
er wurde von einem stürzenden Baum erschlagen
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit [ SchillerTellIV 2]
heftig (aus der Höhe in die Tiefe) herabfließen
Beispiele:
eine Quelle stürzt vom Felsen
jmdm. stürzen (die) Tränen aus den Augen, über die Wangen
stürzende und schäumende Fluten
der Regen stürzte schon den dritten Tag [ FühmannJudenauto155]
b)
heftig auf den Boden fallen und aufprallen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘sein’
Beispiele:
sie glitt aus und stürzte
er, sein Pferd ist (schwer, unglücklich) gestürzt
sie ist auf dem Eis, der Straße, im Treppenflur, beim Skilaufen gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen
er stürzte auf das Gesicht, nach hinten, zu Boden
aus dem Fenster, vom Fahrrad, Pferd, der Leiter, Treppe stürzen
er ist über einen Stein gestürzt (= gestolpert und hingefallen)
heftig in etw. hineinfallen
Beispiel:
jmd. stürzt ins Wasser, in eine Grube, mit dem linken Bein in ein Loch
übertragen
Beispiel:
umgangssprachlichjmd. stürzt aus allen Himmeln (= jmd. ist plötzlich ernüchtert, sehr überrascht)
c)
Fotografie
Beispiel:
stürzende Linien (= Linien, die beim Motiv senkrechte Parallelen sind, auf dem Foto jedoch zusammenlaufen)
2.
sich, jmdn. (gewaltsam) von etw. hinunterwerfen, in etw. hineinwerfen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘haben’
Beispiele:
der Selbstmörder hat sich aus dem Fenster, dritten Stock, von der Brücke ins Wasser gestürzt
fast hätte man das Kind im Gedränge zu Boden gestürzt (= zu Fall gebracht)
übertragen
Beispiele:
die Reaktion wollte das Volk in einen Krieg stürzen
dieses Ansinnen stürzte ihn in Gewissenskonflikte
jmdn., sich ins Verderben, Unglück stürzen (= jmdn., sich ins Verderben bringen, unglücklich machen)
umgangssprachlichsich (mit Elan, Schwung, großem Eifer) in die Arbeit stürzen (= energisch, ohne Zögern mit der Arbeit beginnen, sich ihr intensiv widmen)
umgangssprachlichsich in den Trubel, Kampf, das Gewühl stürzen
umgangssprachlichdann wollen wir uns mal ins Vergnügen stürzen!
umgangssprachlichsich in Schulden stürzen (= Schulden machen)
umgangssprachlich, gelegentlich übertriebensich in Unkosten stürzen (= viel Geld für jmdn. ausgeben)
3.
sich plötzlich, schnell, ungestüm auf ein Ziel zu bewegen
a)
jmd. stürzt zu jmdm.jmd. eilt, rennt zu jmdm.
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘sein’
Beispiele:
das Mädchen ist gleich zu ihrer Freundin gestürzt und hat ihr alles erzählt
er stürzte an das Fenster, auf den Hof, aus dem Haus, über die Straße, zum Telefon
er kam wütend ins Zimmer, zu ihr gestürzt
sie stürzte in ihre Kleider (= zog sich eilig an) und rannte hinaus
auf die Knie stürzen
plötzlich niederknien
Beispiele:
sie stürzte auf, in die Knie, sich ihm zu Füßen und bat ihn um Verzeihung
sich in die Arme stürzen (= sich plötzlich, heftig umarmen)
b)
umgangssprachlich sich auf etw. stürzenüber etw. herfallen, sich über etw. hermachen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘haben’
Beispiele:
die Kinder stürzten sich auf den Pudding, Kuchen, die neuen Spielsachen
er stürzte sich (förmlich) auf das Essen (= aß sehr hastig, gierig)
übertragen
Beispiel:
er hat sich auf die neue Aufgabe gestürzt (= hat die neue Aufgabe mit Elan, Eifer in Angriff genommen)
sich auf jmdn. stürzenjmdn. tätlich angreifen
Beispiele:
blind vor Wut stürzte er sich auf ihn (und schlug ihn zu Boden, verprügelte ihn)
er stürzte sich auf die Frau und entriss ihr die Handtasche
der Hund hat sich laut bellend auf den Fremden gestürzt
übertragen
Beispiel:
umgangssprachlichals er eintrat, stürzte sie sich sofort auf ihn (= eilte sie auf ihn zu und belegte ihn mit Beschlag)
4.
aufgrund veränderter Machtverhältnisse jmdn. aus dem Regierungsamt entfernen, ein Regime, eine Regierungsform beseitigen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘haben’
Beispiele:
einen König, ein Kabinett, eine Diktatur, Regierung stürzen
das Volk wollte den Präsidenten stürzen
Wir haben ein Gesindel gestürzt, das fett über uns thronte [ P. WeissMarat18]
jmd., etw. stürzt
Beispiel:
Ministerien stürzen, werden neu gebildet [ K. MannMephisto199]
übertragen
Beispiel:
die Fußballmannschaft hatte sich vorgenommen, den Favoriten zu stürzen
5.
etw. umkippen, umkehren, umdrehen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘haben’
Beispiele:
einen erkalteten Pudding, die schnittfeste Sülze auf einen Teller stürzen
die gespülten Gläser auf ein Tuch stürzen
einen Kuchen nach dem Stürzen mit Zuckerglasur überziehen
Vorsicht, nicht stürzen! [Aufschrift auf Kisten mit zerbrechlichem Inhalt]
die Kasse stürzen (= den Kassenbestand feststellen)
Handarbeitein Laken stürzen (= ein Laken in der Mitte auseinanderschneiden, die Schnittkanten als Außenränder schmal säumen und die beiden Webekanten, die vorher die Außenränder gebildet hatten, schmal zusammennähen, sodass sie nun in der Mitte des Lakens sind)
Er ergriff den Becher, schüttelte ihn, stürzte ihn, die Würfel klapperten auf dem Marmor [ Wasserm.Wahnschaffe2,110]
6.
plötzlich stark in der Höhe, im Niveau niedriger werden
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘sein’
a)
Beispiel:
innerhalb weniger Stunden stürzte die Temperatur von 30 auf 16 Grad
b)
Wirtschaft an Wert verlieren, im Wert sinken, fallen
Beispiele:
der Dollar stürzt
die Aktien, Kurse sind in wenigen Tagen um 25% gestürzt
7.
steil nach unten verlaufen, steil abfallen
Grammatik: Perfektbildung mit Hilfsverb ‘sein’
Beispiele:
der Fels, die Felswand stürzt an dieser Stelle steil ins Meer, in die Tiefe
Es [das Pferd] ging vorsichtig, denn der Steig stürzte steil [ GaiserSchlußball82]

Dieses Wort ist Teil des Wortschatzes für das Goethe-Zertifikat B1.

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
stürzen · Sturz · Sturzacker · umstürzen · Umsturz
stürzen Vb. ‘hinunterstoßen, umstülpen, fallen, eilen’, ahd. sturzen (um 1000, vgl. bi-, firsturzen, 9. Jh.), mhd. sturzen ‘umstoßen, umstülpen, umsinken, fallen’, frühnhd. (mit Umlaut) stürzen, mnd. störten, mnl. storten, sturten, nl. storten, aengl. styrtan (in nordhumbr. sturtende, Part. Präs.) ‘aufspringen, plötzlich loslaufen, fortstürzen’ (westgerm. *sturtjan) stellt sich mit den unter Sterz (s. d.) angeführten ablautenden Formen sowie mit aengl. steartlian ‘stolpern’, engl. to startle ‘auf-, erschrecken’, anord. stirtla ‘mit Mühe aufrichten’ zu einer Dentalerweiterung der unter starren (s. d.) angegebenen Wurzel ie. *(s)ter(ə)- ‘starr, steif sein, starrer, fester Gegenstand; steif gehen, stolpern, fallen, stolzieren’. Im Dt. wird die (bereits spätmhd. bezeugte) Bedeutung ‘eilen, ungestüm und schnell laufen’ im 18. Jh. geläufig. – Sturz m. ‘Fall, das Fallen, das Umstülpen, das von oben Deckende’, ahd. (8. Jh.), mhd. sturz; vgl. Fenster-, Türsturz. Auch Sturz m., häufiger Sturze, Stürze f. ‘(Topf)deckel’ (14. Jh.). Sturzacker m. ‘grob (mit „umgestürzten“ Schollen) gepflügter Acker’ (16. Jh.). umstürzen Vb. ‘zu Boden werfen, umkippen, zu Fall bringen, zerstören’, mhd. umbestürzen. Umsturz m. ‘umgestürzte Bäume’ (als Kollektivum vereinzelt 16. Jh.), dann ‘das Umstürzen’ und übertragen ‘plötzliche Umwälzung, Änderung ins Gegenteil, revolutionäre Beseitigung einer bestehenden Regierungsform’ (18. Jh.).

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

Assoziationen

(sich) nicht länger auf den Beinen halten (können) · fallen (Person) · hinfallen · hinschlagen · stürzen · zu Boden gehen  ●  (sich) (lang) hinlegen ugs., salopp, fig. · auf den Boden knallen ugs. · aus den Latschen kippen ugs. · hinfliegen ugs. · hinknallen ugs. · zu Fall kommen geh.
Unterbegriffe
  • der Länge nach hinfallen · der Länge nach hinschlagen  ●  (sich) auf die Fresse legen derb · (sich) auf die Schnauze legen derb · (sich) lang hinlegen ugs., salopp · auf die Fresse fliegen derb · auf die Schnauze fliegen derb · lang hinfliegen ugs. · lang hinknallen ugs.
  • auf den Rücken fallen · hinten(r)überfallen · nach hinten fallen · nach hinten kippen
Assoziationen


(Glas) in einem Zug leeren · (leer)trinken ohne abzusetzen · auf Ex leeren · auf Ex trinken · in einem Zug austrinken  ●  exen ugs. · in einem Zug hinunterkippen ugs. · runterkippen ugs. · stürzen ugs.
Assoziationen
  • Auf ex! · Und ex!  ●  Hau weg den Scheiß! derb · In diesem Sinne - ab in die Rinne! ugs., regional · Kippis! ugs., regional, finnisch · Nich lang schnacken, Kopp in'n Nacken! ugs., norddeutsch · Runter damit! ugs. · Zieh weg die Pfütze! ugs.

Typische Verbindungen zu ›stürzen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›stürzen‹.

Verwendungsbeispiele für ›stürzen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

War ein solches System nicht wert, zugrundezugehen, gestürzt zu werden? [Bürgel, Bruno H.: Vom Arbeiter zum Astronomen, Berlin: Ullstein 1925 [1919], S. 60]
In tobender Wut stürzte er sich auf einen der Raben. [Röhrig, Tilman: In dreihundert Jahren vielleicht, Würzburg: Arena 1984 [1983], S. 60]
Und ich wünsche jetzt nichts mehr, als mich Hals über Kopf in meine Arbeit zu stürzen. [Braun, Lily: Memoiren einer Sozialistin. In: Lehmstedt, Mark (Hg.) Deutsche Literatur von Frauen, Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1911], S. 1719]
In den letzten vier Jahren sind Sie dreimal schwer gestürzt. [Der Spiegel, 31.12.1990]
So stürzt die Sprache unrettbar aus einem Dilemma ins andere, wenn sie die Zeit durch den Raum erklären will. [Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. In: Bertram, Mathias (Hg.) Geschichte der Philosophie, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1910], S. 31687]
Zitationshilfe
„stürzen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/st%C3%BCrzen>.

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